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  • Jüdischer Friedhof in Rimbach

    Volker Knöll, Rolf Schmitt, Klaus Schaab, Rimbach Juli 1988


    Jüdische Friedhöfe mit umgestürzten oder mit Parolen beschmierten Grabsteinen gab es nicht nur in der Vergangenheit; auch heute noch sind solche Bilder Realität. Aber sie sind auch Orte der Besinnlichkeit, die sich idyllisch in die Städte und Landschaften einpassen. Da die Reinheitsgebote eine Friedhofsanlage außerhalb der Siedlungen verlangten, entspricht die heutige Lage der Friedhöfe in den Städten nicht der ursprünglichen Situation. Weiterhin wollten verschiedene christliche Stadtverwaltungen eine besonders große Entfernung von den Stadtgrenzen. So blieb vielfach die Lage der Friedhöfe im ländlichen Bereich weit vor den Ortschaften erhalten. Außerdem lehnten es viele Ortsgemeinden ab, Friedhöfe für die Juden zu gestalten, wodurch sie den Zuzug derselbigen zu verhindern suchten. Das dichte Aufstellen von Grabsteinen und das Bild von Anlagen, die immer mehr einem Hügel zu gleichen schienen, entstand aus einer Notlage heraus, da den Juden für ihre Friedhöfe nur sehr wenig Platz zur Verfügung stand. War der Friedhof überfüllt, wurde einfach eine Erdschicht aufgetragen, da es aus kultischen Gründen nicht erlaubt ist, den Friedhof einzuebnen, oder eine Exhumierung vorzunehmen.

    Der Ursprung der künstlerischen Gestaltung der Grabsteine lässt sich nur recht schwer lokalisieren, jedoch darf ein Einfluss aus christlichen Bereichen nicht völlig ausgeschlossen werden. Der immer mehr aufkommende Brauch, neben den traditionellen hebräischen Inschriften auch deutsche zu verwenden, zeugt nicht von einer Verfallserscheinung, sondern ist vielmehr ein Zeichen des um „Anerkennung kämpfenden jüdischen Bürgertums.“ (Zitat nach Adolf Diamant)

    Friedhofsschändungen wurden früher wie heute hauptsächlich begangen, um die jüdische Gemeinde zu kränken. Sie traten bereits im Mittelalter auf und wurden verstärkt nach Ende des 1. Weltkriegs betrieben, wo sie in erster Linie politischen Motiven entsprangen und sowohl von nationalistischen als auch von völkischen Kreisen durchgeführt wurden. In den Jahren 1955–1945 wurden aufgrund der von den Nationalsozialisten durchgeführten „Reichsmetallspende“ viele Buntmetallplatten und Inschriften von den Grabsteinen entfernt, wodurch diese große Schäden erhielten.

    Nach dem Einmarsch der Alliierten in Deutschland wurden viele Friedhöfe von jüdischen Soldaten wieder instand gesetzt. Im Jahre 1949 ordnete der Kultusminister von Nordrhein-Westfalen an, dass sich die Gemeinden den jüdischen Friedhöfen annehmen sollen. In Durchführung dieser Aktion, die erst 1958 richtig in Gang geriet, bereisten Beamte die jüdischen Friedhöfe, stellten die Mängel fest und ließen diese beheben. Das Landesamt für Denkmalpflege in Hessen verfügt über keine Listen derjenigen Friedhöfe, die unter Denkmalschutz stehen. Trotzdem sprach man sich bei einer Sitzung der FDP-Landtagsfraktion am 15. Juli 1980 in Fulda, für die Erhaltung von kulturhistorisch wertvollen jüdischen Grabsteinen aus. Die Bundesregierung stellte daraufhin im gleichen Jahr eine Summe von 18, 24 Millionen Mark für die Erhaltung von Kulturdenkmälern zur Verfügung, wovon das Land Hessen 1,55 Millionen Mark erhielt. Ob aber jüdische Grabdenkmäler in Hessen von diesem Geld erhalten und restauriert werden, ist bis dato unbekannt. (Stand 1982)

    Nach Rabbinischen Darlegungen über den Erhalt jüdischer Friedhöfe, ist es verpönt, Blumen auf den Gräbern einzupflanzen, da dies eine ganz und gar nicht jüdische Sitte sei. Weiterhin ist es verboten, das auf den Friedhöfen wachsende Gras zu verfüttern oder zu verkaufen; vielmehr soll es verbrannt werden, weil man von den Toten keine Vorteile haben darf.
    Die Aufgabe jeder jüdischen Gemeinde ist es, den Friedhof zu pflegen. So gilt es z. B. „als eine noble Pflicht, am 7. Adar, dem Sterbetag von Moses, Friedhöfe zu besuchen und dort Grabsteine zu richten und zu befestigen.“ (Zitat nach Prof. Dr. Ernst Roth)
  • Der Grund, warum wir das Thema „jüdischer Friedhof“ gewählt haben, ist relativ leicht zu erklären. Uns war zwar bekannt, dass es in Rimbach einen jüdischen Friedhof gibt, auch dass auf diesem seit 1941 niemand mehr bestattet wurde, doch wusste niemand von uns genaueres über ihn. Die ersten Informationen versuchten wir auf der Gemeindestelle von Rimbach zu erhalten. Am 12. Juni dieses Jahres erfuhren wir in einem Gespräch mit Herrn Fischer von der Gemeinde Rimbach, dass diese an gewisse Vorschriften gebunden ist, die der Innenminister des Landes Hessen in Verbindung mit der jüdischen Gemeinde Hessens vereinbarte. In diesen Vorschriften steht vor allem, dass ab und zu das Gras gemäht werden soll und dass umgefallene Grabsteine wieder aufgerichtet werden. Ansonsten sollen aber keinerlei Veränderungen vorgenommen werden.

    Diese Arbeiten werden seit 1987 von Schülern der Dietrich-Bonhöffer-Schule übernommen, die auch das abgemähte Gras in die Deponie nach Zotzenbach bringen. Nach diesem für uns doch sehr aufschlussreichen Gespräch wurden wir von Herrn Fischer an Herrn Gebhard verwiesen, von dem wir uns noch weitere interessante Informationen erhofften. Als wir ihn Mitte Juni zu Hause aufsuchten, erhielten wir auch tatsächlich einige wichtige Berichte, die uns als Ansatzpunkte für unser Referat dienten. Als weitere Informations­quellen dienten uns die Archive der Stadt Heppenheim und die der Südhessischen Post, sowie das Martin Buber Haus, das sich ebenfalls in Heppenheim befindet.

    Weiterhin vervollständigten wir die Kartierung, die von W. Gebhard begonnen wurde und welche die Grabsteininschriften sowie Bilder der einzelnen Grabsteine enthält (siehe Anlagen). Die Übersetzung der in Hebräisch geschriebenen Grabsteininschriften müssen wir einem Rabbiner überlassen, der uns aber voraussichtlich erst im September besuchen kann, aufgrund dieser umfangreichen Informationen konnten wir uns nun speziellen Aufgaben widmen: die politische Bedeutung des jüdischen Friedhofs Rimbach.

    In den Jahren 1937/38 gab es unseren Informationen zufolge Pläne, die eine Einebnung des Friedhofs vorsahen, was jedoch aufgrund des Krieges nicht mehr durchgeführt wurde. Schändungen auf dem Friedhof wurden in den Jahren 1939-45 begangen, wobei jedoch „nur“ Grabsteine umgeworfen wurden. Trotz allem bleibt die politische Bedeutung des jüdischen Friedhofs Rimbach, vielleicht sogar die aller jüdischen Friedhöfe in Hessen oder gar ganz Deutschland, im Dunkeln, was jedoch die Schaffung einiger Spekulationen ermöglicht, die sich jedoch jeder Leser des Referates selbst machen sollte, da wir es ablehnen, irgendwelche, vielleicht ungerechtfertigten, Thesen in den Raum zu stellen.
  • Bevor für die jüdische Gemeinde Rimbach ein eigener Friedhof vorhanden war, hatte diese einen gemeinsamen Friedhof mit ihren Glaubensgenossen aus Birkenau, der sich jedoch außerhalb der Ortsgrenzen befand. Es musste bei jeder Beerdigung ein zweistündiger Fußmarsch in Kauf genommen werden, an dem mindestens 10 Männer teilnehmen mussten, die an den jeweiligen Tagen ihre Geschäfte versäumten und einige Unkosten trugen. Dies führte zu Unstimmigkeiten innerhalb der Rimbacher Religionsgemeinschaft, die sich vor allem gegen die Stämme Kahn und Wetterhahn richteten, da es ihren Männern als „Kohen“ nicht erlaubt war, an einer Bestattung teilzunehmen. Durch eine Beschwerde beim Heppenheimer Kreisamt wurde schließlich versucht, dieses Sonderrecht aufzuheben. Das Kreisamt forderte deshalb ein Gutachten durch den Landrabbiner Dr. Auerbach, Darmstadt, an, woraufhin das Amt im Jahre 1835 folgendes festlegte:

    „ … 1.) Die Juden aus dem Stamme Kahn sollen keine Wohnung betreten, worin sich Tote befinden, keine Gänge bei Beerdigungen leisten und bei Beerdigungen derselben nicht nahe sein.

    2.) Die Juden aus dem Stamme Kahn brauchen sich zum Behuf der Beerdigung, sofern noch Juden von anderen Stämmen in ihrem Orte wohnen, weder durch andere vertreten zu lassen, noch stattdessen angemessene Beiträge zu leisten …

    3.) Für Totenkleider, Särge der Armen und dergleichen müssen natürlich auch jene Juden (die Kähnen) Beiträge leisten.“

    Lob Kahn versuchte natürlich während seiner Vorsteherzeit im Jahre 1844 diese Beschwernisse zu beseitigen. Er bat deshalb bei den zuständigen Stellen um die Erlaubnis, einen eigenen Friedhof in Rimbach zu errichten. In seiner Bittschrift macht er darauf aufmerksam, dass „… dann die drei Orte Mörlenbach, Reisen, Birkenau, durch welche bisher der Leichenzug ging, nicht mehr einer zu besorgenden Gefahr, durch die Leichen Krankheiten angesteckt zu werden, ausgesetzt sein …“ Als weiteren Aspekt führte er die große Kostenersparnis für die jeweils betroffenen Familien an, da seither „… die Wegführung der Leichen mittels eines Wagens so wie die Hinschaffung eines Leichensteins ein Jahr nach der Beerdigung zu teuer wären …“

    Die Judengemeinde in Birkenau war mit diesem Vorhaben jedoch nicht einverstanden, und forderte die Rimbacher Juden auf, erst zur Erweiterung des Birkenauer Friedhofes beizutragen, bzw. dass der gemeinsame Leichenbestattungsfonds nach der, jetzt immer wahrscheinlicheren, Trennung voll nach Birkenau fallen sollte. Die Verhandlungen gingen zugunsten der Rimbacher Juden­gemeinschaft aus und die Trennung sowie die Teilung des Bestattungsfonds wurden 1845 vorgenommen. Daraufhin erwarb die jüdische Gemeinschaft Rimbach ein Gelände, das 2590 Quadratmeter umfasst, und welches sich am Zotzenbacher Weg befindet. 1846 wurde der Friedhof eingeweiht und bereits ein Viertel der Mauer, die charakteristisch ist für einen jüdischen Friedhof, erstellt. Die Mauer wurde im Jahre 1849 vollendet.

    Laut Gebhard sind die Toten auf dem Rimbacher Judenfriedhof nebeneinander, d. h. so wie sie verstorben sind, beigesetzt. Links vom Eingang bis zur Mitte befinden sich die Ehefrauen (A1 – A4). Darüber bis zur Mauer liegen die Gräber der Ehemänner (B1 – B5). Die Grabstätten der Mädchen und ledigen Frauen finden sich rechts vom Eingang (E1 – E5), während die Knaben und Junggesellen im oberen rechten Feld begraben wurden (D1 – D2). Den Männern der Familien Kahn und Wetterhahn, die bekanntlich dem Priestergeschlecht angehörten, ist in der oberen Mitte des Friedhofes eine Ehrenreihe eingeräumt worden.

    Die älteren Grabsteine sind noch aus rotem Sandstein gehauen, während die Steine, die aus den letzten Jahrzehnten stammen, bereits aus Granit oder Syenit hergestellt wurden. Die Inschriften, die zumeist in hebräischer Sprache gehalten sind, geben den Namen des Verstorbenen und den Namen des Vaters an. Bei den verheirateten Frauen ist zusätzlich noch der Name des Ehemannes zu finden. Der Todestag wurde nach dem jüdischen Kalender berechnet. Bei vielen Sandsteingrabsteinen ist die Schrift nicht mehr zu lesen, da sie sich bereits im Zustand der Verwitterung befinden.

    Oftmals wurden die Steine auch bemalt; so weist das Tagebuch der Löb Kahnschen Stiftung für den 12. August 1888 nach:
    „… zahlt an Tünchner Dörr die Grabsteine mit Ölfarbe angestrichen und die Schrift vergoldet 72 Mark 60 Pf.“ Die ärmeren Juden konnten sich dagegen nur „Gedenksteine“ aus Holz leisten, was die vielen Lücken in den Grabfeldern der Kinder und Ledigen erklärt.
  • Symbole auf dem Jüdischen Friedhof Rimbach

    Auf jedem jüdischen Friedhof gibt es zig verschieden Symbole auf den Grabsteinen zu besichtigen, die jeweils ihre eigene Bedeutung haben, auf dem jüdischen Friedhof Rimbach sind drei solche Symbole anzutreffen, deren Form und Bedeutung im Folgenden erläutert wird.

    Die segnenden Hände
    Dieses Symbol zeigt uns „... zwei Hände, senkrecht nach oben (selten auch nach unten) gerichtet, deren Daumen sich berühren“. Dieses Symbol der zum Priestersegen „… gespreizten Hände ist das wichtigste und bezeichnet die Gräber von Nachkommen der Priesterschaft … ", weshalb alle Männer der Familien Kahn und Wetterhahn dieses Zeichen auf ihren Grabsteinen haben.

    Der Schmetterling
    Dieses Symbol zeigt die „Flüchtigkeit des irdischen Lebens“ an und ist auf dem Grabstein der Karolind Kahn, der Ehefrau von Lob Kahn, zu finden.

    Die abgebrochene Säule
    Das Zeichen der abgebrochenen Säule symbolisiert den frühen Tod eines Menschen. Wir finden sie als Gedenkstein auf dem Grab von Ludwig Hamburger, der im Alter von 21 Jahren 1897 starb.